2. Offener Brief an Aussenministerin Annalena Baerbock vom 24. Dezember 2024 zu ihrer Entwaffnungsforderung
Sehr geehrte Frau Außenministerin,
Sehr geehrte Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses,
als Städtepartnerschaftsinitiativen mit Städten in Nord- und Ostsyrien betrachten wir die Entwicklungen in der Region mit großer Sorge.
Wir freuen uns, dass Sie die großen Errungenschaften der multiethnischen und multikonfessionellen ‚Syrischen Demokratischen Kräfte‘ (SDF) im Kampf gegen den IS würdigen. Ob die neuen Machthaber der HTS in Zukunft die in den Selbstverwaltungsgebieten im Nordosten Syriens garantierten Rechte für Frauen und ethnische und religiöse Minderheiten achten werden, ist völlig unklar, darf aber – mit Blick auf Idlib und die türkisch besetzten Gebiete in Nordsyrien – eher bezweifelt werden. Diese Rechte wurden bislang durch die SDF, Partner der Anti- IS-Koalition, gesichert. Würden sie ohne eine endgültige Friedensregelung zwischen allen relevanten syrischen Gruppen vorschnell entwaffnet, wäre die dortige Bevölkerung schutzlos.
Zur Zeit Ihres Türkei-Besuchs bombardierten SNA und die Türkei die Stadt Kobane. Eine 35-jährige Frau und ihre Tochter kamen dabei ums Leben. Wir haben eine Liste türkischer Angriffe erstellt, die nicht vollständig ist und nur den Zeitraum der letzten drei Monate berücksichtigt. Vor dem Hintergrund der permanenten Angriffe der Türkei und der Tatsache, dass die SDF die Türkei noch nie angegriffen haben, erscheint Ihre Forderung vom 20.12.2024 nach einer Entwaffnung der „Milizen“ zumindest als sehr missverständlich, da der Eindruck entsteht, sie richtete sich an die SDF. In diesem Sinne hat Sie auch fast die gesamte deutsche Presse verstanden, Frau Baerbock. Es stellt sich für uns die Frage, ob Sie den Schutz der Bevölkerung im Gebiet der DAANES nach Entwaffnung der SDF garantieren können.
Wer soll die IS-Gefängnisse bewachen, wenn nicht die SDF? Die Bewachung zehntausender IS-Gefangener übernahmen bislang die SDF. Sie haben damit auch zur Sicherheit in Europa und Deutschland beigetragen. Schon jetzt sind Pläne der SNA zur Erstürmung dieser Gefängnisse bekannt.
Die Destabilisierung und Eskalation geht nachweislich von der Türkei und ihren Söldnern von der SNA aus. Die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) hingegen ist bereit, eine Pufferzone unter internationaler Kontrolle unter Ausschluss der Türkei, einzurichten. Sie hat stets erklärt und wiederholt es in ihrem 10-Punkte-Plan für die Zukunft Syriens, dass sie sich als Teil Syriens begreift und an der territorialen Integrität des Landes festhält. Diese Integrität wird schon lange durch die völkerrechtswidrige Besatzung von Afrin, Shehba, Manbic, Serekaniye und Gire Spi durch die Türkei verletzt. Durch die anhaltenden Angriffe der Türkei und der SNA auf Region Kobane droht eine neue Fluchtwelle von geschätzten 200.000 Menschen. Die Versorgung der vor HTS und SNA aus Aleppo und Shehba geflüchteten 120.000 Menschen übersteigt bei weitem die vorhandenen Ressourcen der Selbstverwaltung, was genau dem Interesse der Türkei an einer Destabilisierung der Region entspricht. Trotz einer drohenden humanitären Katastrophe und dringender Bitten der Selbstverwaltung bleibt internationale Hilfe bislang weitgehend aus.
Wir fordern Sie daher eindringlich dazu auf, sich einzusetzen für:
- einen umfassenden Waffenstillstand unter Schirmherrschaft der UN
- den Schutz der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und ihre diplomatische Anerkennung – entsprechend jener der Autonomen Region
Kurdistan im Nordirak - direkte Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
- einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen an die Türkei, denn Nordostsyrien wird durch die Türkei und ihre Söldner von der SNA auch mit deutschen Waffen angegriffen
- die Bereitstellung umfangreicher humanitärer Hilfe durch Deutschland und die internationale Gemeinschaft
Mit freundlichen Grüßen
Städtefreundschaft Frankfurt-Kobane e. V.
Städtepartnerschaft Friedrichshain-Kreuzberg – Dêrik e.V.
Städtepartnerschaft Köln – Qamishlo
Städtepartnerschaft Oldenburg – Rakka e.V.
Kinderhilfe Mesopotamien e.V.
Initiative Kölner helfen
Welle gGmbH
TÜDAY Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland e.V.
1. Offener Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Aussenministerin Annalena Baerbock vom 12. Dezember 2024
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrte Frau Außenministerin Baerbock,
der Sturz des Diktators Assad in Syrien ist ein Schritt, der grundsätzlich zu begrüßen ist. Allerdings stellen die aktuellen Angriffe der türkeitreuen islamistischen Milizen der SNA auf Rojava/die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) eine erhebliche Bedrohung dar. Die Türkei nutzt die Situation, um die kurdischen Gebiete und Zivilisten anzugreifen. Es gibt bereits zahlreiche Tote, darunter auch Kinder. Es besteht darüber hinaus die Gefahr der Befreiung der IS-Kämpfer aus den Gefängnissen.
Die Kurd*innen haben im Kampf gegen den IS einen unermesslichen Blutzoll gezahlt und durch ihren Einsatz die Welt ein Stück sicherer gemacht. Es wäre ein historisches Versagen und eine humanitäre Katastrophe, diese Menschen jetzt den islamistischen Milizen und den geopolitischen Interessen der Türkei zu überlassen. Deutschland darf dabei nicht tatenlos zusehen. Die Unterstützung der Türkei für islamistische Milizen stellt nämlich nicht nur eine regionale, sondern auch eine globale Bedrohung dar. Die internationale Gemeinschaft muss verhindern, dass sich diese Gewaltpolitik weiter ausbreitet und die Errungenschaften im Kampf gegen den bewaffneten Islamismus durch die Türkei gefährdet werden. Die Bundesregierung muss handeln:
• Eintreten für einen umfassenden Waffenstillstand unter Schirmherrschaft der UN, wie ihn auch die Selbstverwaltung fordert
• Anerkennung der Selbstverwaltung von Rojava/DAANES, um den Schutz von Minderheiten zu gewährleisten.
• Eintreten für den Schutz der erkämpften Befreiung und Gleichberechtigung der Frauen
• Die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) im Kampf gegen den IS unterstützen, um ein Wiedererstarken der Terrororganisation zu verhindern
• Druck auf die Türkei ausüben, um die Angriffe auf die kurdischen Gebiete zu stoppen
Mit freundlichen Grüßen
– Städtefreundschaft Frankfurt – Kobanê e.V.
– Städtepartnerschaft Friedrichshain-Kreuzberg – Dêrik e.V.
– Städtepartnerschaft Köln – Qamishlo
– Städtepartnerschaft Oldenburg – Rakka e.V.
12. Dezember 2024
Unterstützer*innen
- Responders e.V.
- Welle gGmbH
- Kinderhilfe Mesopotamien e.V.
- Initiative Kölner helfen
- Europakomitee der ‚Stiftung der Freien in Syrien (WJAS)
- Familien für den Frieden e.V.
- Flüchtlingshilfe Borchen e.V.
- Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
- Hilfsbund für Kinder in Not e.V.
- Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
- Freundschaftsverein Marburg-Kurdistan e.V.
- Förderverein der Kreispartnerschaft Herford- Kobane/Nordsyrien e.V.
- Initiative Frieden Hoffnung e.V.
- Darmstädter Solikreis Kurdistan-Rojava
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Civan Abkulut – Integrationsrat Essen
Dr. M. Wilk – Notarzt/ Psychotherapeut,
Dr. Mechthild Exo
Dersim Dağdeviren, Kinderärztin, Co-Vorsitzende Kurd-Akad
Kurt Bovensiepen, – 3. Welt-Haus Frankfurt,
Ulrich Steinheimer, Buchhändler,- Gelnhausen,
Birgit Moxter, Dipl. Sozialarbeiterin, Frankfurt
Dr. med. Birgit Koch-Dallendörfer, Frankfurt
Dr. Willi Mast, Arzt für Allgemeinmedizin, Sprecher von Medizin für Rojava
Cornelia Schlothauer, Kunsttherapeutin, Rödermark
Dr. Christine Löw, Politikwissenschaftlerin, Frankfurt
Gerda Balke, Frankfurt
Andreas Bornmann, Frankfurt
Petra Lehwalder, Pfarrerin, Frankfurt
Rebecca Remer, Verwaltungskraft, Frankfurt
Christopher Wimmer, Soziologe
Ingrid Blauhut-Grünzig, Frankfurt
Rebecca Pini, Offenbach