In Nord- und Ostsyrien wird seit 2011 an einem neuen Gesellschaftsmodell gearbeitet, das die Frau ins Zentrum der Befreiung stellt. Denn die Überwindung traditioneller patriarchaler Strukturen gilt als Voraussetzung für eine gesamtgesellschaftliche Befreiung.

Die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist im Gesellschaftsvertrag verankert

Wie sieht eine demokratisch organisierte Gesellschaft im mittleren Osten aus, die sich selbst verwaltet, die Gleichberechtigung im Gesellschaftsvertrag verankert hat und auf allen Ebenen eine Doppelspitze von Frau und Mann vorsieht? Es ist ein Kampf um die Selbstbestimmung der Frau. Viele sprechen deshalb auch von einer Frauenrevolution, da die (jungen) Frauen sich in allen gesellschaftlichen Bereichen in parallelen, autonomen Strukturen organisieren und dafür Sorge tragen, dass alle wichtigen Ämter und Funktionen mit einer Doppelspitze aus Frau und Mann besetzt werden. Deswegen sind auch in Dêrik eine Frau und ein Mann gleichberechtigte Bürgermeister*innen. Auch im Stellvertreterteam gibt es eine Frau und einem Mann. Zudem sollen alle Positionen so besetzt werden, dass alle Religionsgemeinschaften und Ethnien gleichberechtigt beteiligt werden. So wird versucht, Lehren aus den historischen Erfahrungen gescheiterter Revolutionen zu ziehen.

Jineolojî

Dafür steht auch die Jineolojî, die „Wissenschaft der Frau und Gesellschaft“, die an den Frauenakademien unter anderem auch in Dêrik gelehrt wird. Alle Frauen haben das Recht, unabhängig von ihren Familien, mehrere Wochen an diesen Akademien zu verbringen. In der Gemeinschaft und im Austausch mit anderen Frauen haben sie so den Freiraum, sich aus gewohnten Denkmustern zu befreien und ihre neuen Erkenntnisse in ihre Familien und in die Gesellschaft zu tragen.

Schild am Eingang der Frauenakademoe in Dêrik
Schild am Eingang der Frauenakademie in Dêrik

Kongreya Star

Im Rahmen der Dachorganisation „Kongreya-Star“ gibt es die Frauenräte. Diese treffen die Entscheidungen und lassen diese in die 3 Pfeiler der Selbstverwaltung, den „Syrischen demokratischen Rat“, die „Autonome Selbstverwaltung“ und „TEV-DEM“  einfließen. Kongreya-Star ist in allen Städten mit Büros vertreten, auch in Dêrik.

Frauen-Kooperativen

In den neuen autonomen Frauen-Kooperativen können Frauen erstmals ein eigenes Einkommen erwirtschaften. In Dêrik gibt es drei Landwirtschaftskooperativen, eine Joghurt- und Käsekooperative, eine Frauenbäckerei und eine Näherei, die von Frauen geführt werden. Dêrik besitzt auch ein Frauenrestaurant und einen eigenen Frauenbazar.

In Bildungszentren werden Computer-, Sprach, Näh- oder Erste-Hilfe-Kurse, Seminare zu Gesundheit – speziell auch zur Kindergesundheit – sowie Kunst- und Kulturworkshops organisiert. In Dêrik gibt es auch Bildungszentren in Form von Stadtteilzentren, an die sich Frauen mit sozialen und familiären Problemen wenden können.

Mala Jin – die Frauenhäuser

Die Frauenhäuser, Mala-Jin, sind Anlaufstelle für Frauen, die häusliche Gewalt erfahren. Die Vertreterinnen des Frauenhauses gehen in die betroffenen Familien und versuchen über Mediation gewaltfreie Lösungen zu finden oder Frauen zu unterstützen , die sich trennen wollen.

Das Frauendorf Jinwar wurde von Frauen nach ökologischer Lehmbauweise aufgebaut und im November 2018 eröffnet. In dem Dorf leben ausschließlich Frauen mit ihren Kindern in einer Gemeinschaft.

Frauenstiftung WJAR

Die Frauenstiftung WJAS (vormals: WJAR) wurde im September 2014 als unabhängige und gemeinnützige Organisation gegründet. Die Stiftung baut in Nord- und Ostsyrien Gesundheitszentren, Kindergärten, und Frauenparks auf und unterstützt die Geflüchtetencamps. In Dêrik hat die Stiftung u.a. die multikulturelle Kita „Sara“ eröffnet. Ein weiteres Projekt, das wir als Städtepartnerschaftsverein unterstützen, ist die Einrichtung einer Mobilen Klinik für das Umland von Dêrik (siehe dazu unseren Spendenaufruf). Die Frauenstiftung hat 2019 mit dem Städtepartnerschaftsverein und dem kurdischen Elternverein YEKMAL einen Kooperationsvertrag geschlossen.

Frauenverteidigungseinheiten

Frauen sind auch mit eigenen Selbstverteidigungseinheiten, den YPJ militärisch organisiert. Sie haben den IS erfolgreich an vorderster Front bekämpft. Zur Verteidigung der Kommunen und Stadtviertel oder zum Schutz von Demonstrationen und Veranstaltungen gibt es zusätzlich die kommunalen Frauenverteidigungskräfte HPJ. Auch die christlich-assyrischen Verteidigungskräfte, die Sutoro, haben eigene Frauenverteidigungseinheiten; ebenso die Sicherheitskräfte der Asayîs, die für die innere Sicherheit zuständig sind.