In der Nacht vom 23. Oktober auf den 24. Oktober 2024 bombardierte das türkische Militär mit Kampfflugzeugen und Drohnen erneut die zivile Infrastruktur und Dörfer in direkter Nähe zur Partnerstadt Dêrik des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Die Angriffe wurden am 25. und 26. Oktober fortgesetzt und halten an.
Getroffen wurden u.a. mehrere Elektrizitätswerke und Wohnhäuser in Dörfern des Umlandes. Aus Dêrik erreichten uns Berichte, dass die Strom- und Gasversorgung unterbrochen ist. Ebenso wurde die Bombardierung von Ölfeldern bei Rimelan (siehe Videoclip unten) und eines Treibstoffverteilungszentrum in Siwêdiyê südlich von Dêrik gemeldet, bei der acht Personen getötet wurden.
In der Nacht zum Freitag wurden in Dêrik eine Kunststofffabrik und in der Nacht zu Samstag eine Bäckerei und eine Molkerei bombardiert (siehe Foto oben). Am darauf folgenden Samstag wurde ein Gefängnis bombardiert in dem auch IS-Mitglieder inhaftiert sind. Wie bereits in der Vergangenheit versuchten auch jetzt wieder einige Insassen die unübersichtliche Situation zur Flucht zu nutzen.
Diese Angriffe stehen im Kontext eines anhaltenden Krieges, den die Türkei gegen die Autonomiegebiete in Nord- und Ostsyrien führt. Die Angriffe sind allerdings nicht auf die syrischen Gebiete beschränkt. Es ist auch die mehrheitlich von Ezidinnen und Eziden besiedelte Shengal-Region im Nordirak betroffen.
Der UN-Sondergesandte Geir Pedersen warnte, dass die Situation in Syrien sehr fragil ist.
Auch wir sind zutiefst besorgt, dass die Zustände in Nord- und Ostsyrien und insbesondere in unserer Partnerstadt Dêrik unerträglich oder gar erneut von Krieg und Invasion und Vertreibung geprägt werden.
Dêrik hat gerade mehr als 200 geflüchtete Familien aus dem Libanon im Flüchtlingscamp Newroz aufgenommen – obwohl dort selbst kaum das Nötigste zum Leben vorhanden ist. Wie mag es sich für diese Menschen anfühlen, die vor israelischen Bomben im Libanon geflohen sind und nun von türkischen Bomben in Nord- und Ostsyrien empfangen werden?
Die türkische Regierung begründet die Angriffe mit dem Kampf gegen Terrorismus als Reaktion auf den Angriff auf ein Rüstungsunternehmen bei Ankara am vergangenen Mittwoch, zu dem sich militante Ableger der PKK aus der Türkei bekannt haben.
Warum allerdings zum wiederholten Mal nach Anschlägen militanter Ableger der PKK in der Türkei die in Nord- und Ostsyrien lebende Zivilbevölkerung von der türkischen Regierung in Haftung genommen und kollektiv bestraft wird, erschließt sich uns nicht.
Die ständigen Bombardierungen Nord- und Ostsyriens und des Nordirak entsprechen vielmehr der Doktrin der türkischen Regierung: Im Rahmen einer exzessiven sogenannten „Terrorismusbekämpfung“ werden in Opposition zum türkischen Staat stehende Bevölkerungsteile durch Krieg und Vertreibung drangsaliert und getötet, um das Einflussgebiet des türkischen Staates zu vergrößern.
Wir verurteilen die gegenwärtigen Angriffe der Türkei auf Nord- und Ostsyrien und auf den Nordirak aufs Schärfste.
Ebenso scharf verurteilen wir den Angriff in Ankara, dem unbeteiligte Personen zum Opfer fielen. Allerdings scheint die türkische Regierung ihre Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung und zivile Einrichtungen bereits seit Langem vorbereitet zu haben.
Der Angriff militanter Ableger der PKK wird als Vorwand genutzt, um vor der internationalen Öffentlichkeit in einem guten Licht zu erscheinen und Krieg, Vertreibung und Gewalt als Kampf gegen den Terror zu rechtfertigen.
Gerade weil die Angriffe auf unsere Partnerstadt Dêrik zunehmen, werden wir die Arbeit unseres Vereins im Rahmen unserer Möglichkeiten intensivieren. Wir werden uns weiterhin für menschenwürdige Lebensbedingungen und den Dialog unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in unserer Partnerstadt einsetzen und sind solidarisch mit den Opfern von Krieg, Vertreibung und Großmachtphantasien.
Der Vorstand der Städtepartnerschaft
Interviewanfragen können Sie per Mail an vorstand@staepa-derik.org richten