Mit Entsetzen haben wir erfahren, dass in der Nacht von Samstag den 19.11 auf Sonntag den 20.11. türkische Kampfflugzeuge das Dorf Teqil Beqil, wenige Kilometer von Dêrik entfernt, mehrfach bombardiert haben.
Beim ersten Angriff wurde gezielt ein Elektro-Umspannwerk zerstört. Dabei kamen nach Angaben des ehemaligen Ko-Bürgermeisters, Feremez Hamo, zwei Arbeiter um. Nach dem Angriff strömten Menschen aus der Zivilbevölkerung dorthin, um möglichen Opfern zu helfen. Daraufhin setzte eine zweite Angriffswelle ein. Dabei wurde auch ein Fahrzeug zerstört.
Hamo sprach von insgesamt 9 Toten und 3 Verletzten. Einige Leichen seien bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Unter den Toten befindet sich auch der Journalist Isam Abdullah. Der Korrespondent der Nachrichtenagentur ANHA wurde schwer verwundet und starb im Krankenhaus. Entgegen der Behauptungen des türkischen Verteidigungsministeriums, das von zerstörten Stellungen der YPG und eliminierten ‚Terroristen‘ spricht, waren die meisten Opfer der Luftangriffe Zivilist:innen. Der Städtepartnerschaftsverein Friedrichshain-Kreuzberg – Dêrik spricht den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.
Die jüngsten Angriffe der Türkei auf das Gebiet der Selbstverwaltung von Nord- und Nordostsyrien zerstörten überwiegend zivile Einrichtungen wie das Elektro-Umspannwerk bei Dêrik. Deshalb waren auch zwei Tage nach dem Angriff die Stadt Dêrik und 65 umliegende Dörfer ohne Strom. Dies bedeutet, dass es dort auch kaum noch Trinkwasser gibt, weil das meiste Trinkwasser aus Tiefbrunnen hochgepumpt werden muss. Weitere gravierende Schäden entstanden an einer Corona-Klinik in Kobane und an einem Weizendepot bei Dehril Ereb. Insofern ähneln die türkischen Luftangriffe den russischen Angriffen auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine.
Wie bekannt betreiben wir zusammen mit der Frauenstiftung WJAS seit 2020 im Umland von Dêrik eine überwiegend aus Spenden finanzierte Mobile Klinik. Sie ist zur Zeit die einzige Gesundheitsversorgung für Frauen und Kinder im Umland von Dêrik.
Wir sind äußerst besorgt, dass auch unsere Mobile Klinik zum Angriffsziel werden könnte!
Die türkische Regierung begründet ihre Militäroperation mit der Behauptung, die kurdischen Militäreinheiten (YPG) innerhalb der ‚Syrian Democratic Forces‘ (SDF) und die Kurdische Arbeiterpartei PKK seien für das Attentat in Istanbul am 13.11.2022 verantwortlich. Die meisten unabhängigen Experten dagegen vermuten, dass die türkische Regierung sich mit dem Istanbul-Attentat nur einen Vorwand für einen erneuten türkischen Einmarsch in Nordsyrien geschaffen hat, den Erdogan bereits seit Monaten immer wieder angekündigt hat.
Wie sehr sich doch die russischen Begründungen für ihre Angriffe auf die Ukraine und die türkischen Begründungen für ihre Angriffe auf Nordsyrien ähneln!